Von Tieren und anderen Menschen

Ist der Mensch mehr wert, als das Tier?

Dürfen wir uns über die Tierwelt erheben, nur weil wir eine komplexe Sprache sprechen und angeblich vernuftbegabter sind?

Die Vernunfthoheit ließe sich im Angesicht der menschengemachten Klimakatastrophe und des dadurch beschleunigten  Artensterbens trefflich diskutieren.

Angesichts der Vernunftlosigkeit des Menschen, der als einziges Lebewesen der Erde in vollem Bewusstsein seinen eigenen Lebensraum zerstört, ist es wohl auch legitim zu fragen, ob wir uns als Art wirklich über die Tiere stellen sollten.

Thorsten Pütsch

Thorsten Pütsch

Wer Tiere behandelt wie niedere Wesen ohne Gefühle, Seele oder Rechte, ist selbst ein solches. Unser Handeln bestimmt unser Sein.
 

Wenn Nashörner weinen

Neulich im ZDF: Der Schauspieler und Tierschützer Hannes Jaenecke berichtet gerade von seiner Afrika-Reise zu den letzten freilebenden Breitmaul-Nashörnern. Die Art stirbt aus, weil der Mensch die Tiere wegen ihrer Hörner jagt. Die Späne gelten vor allem in Asien als Heil- und Wundermittel. Ausschnitte aus der ZDF-Produktion werden gezeigt. Wir sehen Bilder eines verstümmelten Tieres, dessen Horn gerade eben erst von Wilderen abgetrennt worden war. Das blutende Tier scheint zu weinen. Moderator Markus Lanz spricht von schockierenden Bildern und wie man solchen Tieren das nur antuen könne. Jaenecke erwidert, dass wir solche Bilder auch jeden Tag in unseren Schlachthöfen sehen könnten. Lanz daraufhin: „Na komm, das ist ja wohl etwas Anderes.“ Darauf Jeanecke: „Solange wir immer noch lebende Hummer in kochendes Wasser werfen, …“ Lanz unterbricht ihn: „Ok, nochmal ein anderes Thema“, findet der Moderator. Ein kurzer Moment der Stille entsteht im Studio. Hannes Jaenecke schaut Lanz an und schweigt. Dann widerspricht er ihm. „Da bin ich anderer Meinung“, sagt der Tierschützer. Ein großer Moment im sonst an großen Momenten armen Dasein der deutschen Talkshows. Mehr Widerspruch bitte, wenn es um die Verharmlosung von Tierschutz geht.

Käfer quält Affen

Hätten die zehn Javaner-Affen, die den unrühmlichen Abgastests in den USA unterzogen wurden, Namen gehabt, sie wären wohl die berühmtesten Affen in der Geschichte der Tierversuche gewesen. So groß war das nationale und internationale Medienecho auf die Tests, bei denen die eingesperrten Tiere den ungefilterten Diesel-Abgasen eines VW Käfers (Modell Beetle) ausgesetzt wurden. Aber ihre Namen haben wir nicht erfahren, es waren ja auch „nur“ Affen. Keine Frage, es ist richtig und notwendig, dass die Öffentlichkeit diesen Skandal als solchen wahrnimmt und auch, dass personelle Konsequenzen bei den beauftragenden und finanzierenden Autokonzernen VW, Daimler und BMW gezogen werden. Es ist auch das Mindeste, dass die Autobosse sich öffentlich von den Versuchen an Affen distanzieren und für die Tests entschuldigen. Obwohl anzunehmen ist, dass sie von derlei Praktiken nicht überrascht wurden. Zumindest im Fall des VW-Konzerns scheint klar, dass Spitzenmanager, die direkt an den Vorstand berichteten, die Versuche an den Affen kannten. Doch das Problem ist größer. Die zehn Javaner-Affen sind nur die Spitze des Eisbergs der weltweiten Tierversuche. Allein in Deutschland wurden 2016 knapp zwei Millionen Mäuse für Versuche herangezogen, listet die Süddeutsche Zeitung auf. Auch 1.791 Affen mussten in dem Jahr in deutschen Laboren ihre Gesundheit für die Grundlagenforschung opfern. Immerhin 11 Prozent der Tiere sterben bei den Versuchen, so die Statistik der SZ mit Verweis auf das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft als Quelle. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland hinter Großbritannien mit 2,79 Millionen Tierversuchen im Jahr auf Rang zwei. Und allen, die jetzt denken, na ja, die Versuche dienten schließlich dem medizinischen Fortschritt und unser aller Gesundheit hänge davon ab, der möge bitte jetzt einen Blick auf seine schnurrende Katze oder seinen treuen Hund werfen – gut das Aquarium tut es auch – und darüber nachdenken, ob er wirklich das Leben von Minka, Waldi und Nemo opfern würde, damit es in Deutschland noch wirkungsvollere Schnupfenmittel gibt. Wir müssen endlich anfangen, Tiere nicht weniger wertzuschätzen als uns selbst. Tiere sind ebenso Lebewesen wie wir Menschen und wir sind als Art nicht mehr wert oder gar dazu bestimmt, sie zu beherrschen. Wir beide sind Geschöpfe dieses Planeten. Schlimm genug, dass immer mehr Arten wegen krimineller Praktiken, illegaler Waldrohdung, Überfischung, Umweltverschmutzung und anderem grausamen Raubbau an unserem Heimatplaneten aussterben und unwiederbringlich verschwinden. Fangen wir endlich an, Tiere als gleichwertige Geschöpfe anzuerkennen. Nur dann gibt es einen Ausweg aus dem ethischen Dilemma auf die Frage, für welchen Zweck welche Tiere gequält und ihr Recht auf Leben ohne Leiden missachtet werden darf.
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